behalt’s für dich
Angesichts ellenlanger Gedankengänge auf einem öffentlichen Portal, dürfte es kein Geheimnis sein, dass ich bin ein sehr kommunikativer Mensch bin – zumindest zu gewissen Themen, was den öffentlichen Teil betrifft.
Grundsätzlich ist das Teil meines Wesens und meiner geistigen Gesundheit, dass ich meine Gedanken mit anderen austauschen muss. Im besten Fall entsteht daraus eine Diskussion, die eine Bandbreite an Meinungen zusammenträgt, die ich, in der Folge, für mich überdenken kann und abwägen, was davon wertvoll für mich sein könnte, was ich annehmen möchte und was nicht.
Dabei setzte ich zwar eine Zustimmung zu meinen Themen nicht automatisch voraus, aber mit Kritik umgehen, ist dann für mich auch nicht so ganz einfach. Es gibt mir immer eine Weile zu knabbern. Doch am Ende komme ich damit in der Regel ganz gut klar. Denn habe ich erst einmal alles in Ruhe überdenken können, bin ich in der Regel doch dankbar, wenn mir auch mal Gegenwind durch die Gehirnwindungen bläst.
Dich von deinem Weg abbringen zu wollen, ist eine ganz normale Reaktion deines Gegenübers, habe ich lernen dürfen. Wir Menschen können damit eben nicht besonders gut umgehen, wenn andere anders sind als wir selber. Ich habe mittlerweile begriffen, dass nicht jeder mit meinen Ideen und Visionen umgehen kann. Wie soll er auch, es sind schließlich nicht seine oder meine! Die einen fühlen sich schlicht überfahren und bedrängt (im Missionseifer, hin und wieder wahrscheinlich zurecht), die anderen können sich einfach nicht vorstellen, wie es ist auf dies oder das „verzichten zu müssen“.
An der Ernährung oder an Diät scheiden sich eben die Geister. Und oft genug habe ich mir dann schon gedacht: hättest du’s mal für dich behalten.
behalt’s für dich
… ,war dann auch der Tipp einer Carnivore-Bloggerin (Carnivore Diät – eine Ernährung, die ausschließlich auf das Tier und das was von Tier abstammt beschränkt) an ihre social community und angesichts einer so wenig bekannten, provokanten und restriktive Ernährungsform vermutlich auch ein kluger. Was mich jedoch nicht davon abgehalten hat, mein jüngst erwachtes Interesse an dem Thema kundtun – und auf Unverständnis zu stoßen.
Wenn ich ehrlich bin, kann ich niemand verdenken, wenn er milde über mein Interesse lächelt, gelte ich doch, zu Recht, als jemand, der Fleisch angeblich nicht so gut verträgt. So zumindest ist es hängen geblieben. Dass ich jedoch versuche daran etwas zu ändern, bzw. mehr Einfluss auf meinen Protein-intake nehmen möchte, ist bisher nicht so deutlich geworden. Ergo, bis ich für mich geklärt und ausgetestet habe, wie ich das angehen will, hätte ich also besser mal den Mund halten sollen.
Aber es gibt auch Themen, von denen es mir wichtig war/ist meine Fehler offen zu dokumentieren und nicht nur, nach erfolgreichem Abschluss, die auf hochglanzpolierte Oberfläche zu zeigen.
Von dem Zeitpunkt an dem meine Adipositas-OP anstand, war mir nicht nur klar, dass ich meine (starke und schnelle) Abnahme (insofern sie erfolgreich laufen würde), nicht „nur“ mit einer Ernährungsumstellung erklären würde können, sondern, dass es mir auch wichtig war in diesem Punkt transparent und offen zu sein – in der Hoffnung, evtl. anderen damit helfen zu können. Wie auch ich mir Hilfe bei anderen geholt hatte. Und ich bereue nicht, diesen Weg gegangen zu sein, aber einfach war er nicht immer.
Ebenso wie es nicht immer einfach war, ehrlich mit der Ernährungsform zu sein, die ich für mich gewählt hatte. Die mit einem Sturm der Entrüstung vorgetragenen „was du isst kein Brot und Nudeln?“ und „dein Körper braucht doch Kohlenhydrate“ waren manchmal nicht einfach abzuwehren, insbesondere da sie in meinem Fall in der Regel mit einem „pass bloß auf, dass du nicht in die Magersucht rutschst“ als Kommentar zu meinem starken Gewichtsverlust gekoppelt waren. Es gab durchaus Tage, an denen ich, meine so offenen kommunizierte Adipositas-OP, meinen bevorzugten Ernährungswunsch und gleich noch mein vorher-nachher-Bild, liebend gerne aus den Köpfen meines Gegenübers gelöscht hätte.
Heute sind es manchmal noch die „das ist aber nicht low carb“, „was kein Obst?“ oder „so viel Fleisch, das kann doch nicht gut sein!“ die mich bereuen lassen, dass ich einfach nicht anderes kann, als alles kommunizieren zu müssen.
Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?
Nicht für mich. Ich werde wohl in Zukunft auch nicht den Mund halten können und will es auch gar nicht. „behalt’s für dich“ ist – zu bestimmten Themen in meinem Leben – kein Konzept für mich, auch wenn ich es mir hin und wieder wünsche es zu beherrschen. Zu lange habe ich mich gezwungen gefühlt, alles hinunterzuschlucken und nichts loslassen zu können. Heute heißt die Devise für mich: lieber raus als rein.
Ich habe mal rumgefragt, wie bei anderen so ist, mit ihrer Adipositas-OP, stehen sie offen dazu oder schweigen sie? Die große Anzahl der Antworten deutet auf einen offenen Umgang mit dem Thema hin. Und, dass viele ähnliche Erfahrung gemacht haben, wie ich, nämlich gute. Aber sich auch manches Mal gewünscht haben, den Mund gehalten zu haben.
Und auch, wenn ich an dieser Stelle allen Betroffenen Mut machen möchte, alles herauszulassen und nichts mehr in sich reinzufressen, so ist doch auch ein „behalt’s für dich“ kein schlechter Rat; vielleicht so lange bis man so viele Erfahrungen gesammelt hat, dass man gefestigt seinen Standpunkt vertreten kann? Und wenn’s nur zur Sicherheit ist, damit der Wind, der einem auf dem Weg ins Gesicht wehen wird, „nur“ ins Wanken bringt, aber nicht umhauen wird!