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Diätgeheimnisse

... reden wir mal über ein paar Diätgeheimnisse.

Und über Diät-Mythen. Aber fangen wir an mit Chemie und Physik. Mit Täuschen und Tranen.

Chemie und Physik lagen mir in der Schule einfach nicht. Grundsätzlich fand ich diese Fächer nicht uninteressant. Doch keiner meiner Lehrer konnte sie mir so näherbringen, dass die angebotenen Themen einen Sinn für mich ergeben hätten. Aber vielleicht hatten sie selber keine Lust darauf und haben sich er gar nicht angestrengt? Wie auch immer, ich bin trotzdem durch meine Schulzeit gekommen. Täuschen und Tarnen hat für mich funktioniert.

So ähnlich war das auch bei mir mit dem Abnehmen. Grundsätzlich nicht uninteressiert, konnte mir niemand die Grundlagen so vermitteln, damit ich sie wirklich verständen hätte. Aber wie bei Chemie und Physik war es mir zu anstrengend und zu unbequem selber darüber nachzudenken, so was war eben nicht mein Ding.

Ich drehte mir alles so, dass es für meine Komfortzone passte, kopierte die halbherzigen Versuche anderer und hielt an lange gepflegten Diät-Mythen fest. Ich beließ es dabei meinen „unfähigen“ Lehrern die Schuld geben oder wahlweise meiner „Undiszipliniertheit“.

Ich habe Hunger ausgehalten, habe Pläne und Pulver, Pillen geschluckt und ich kannte Kalorientabellen auswendig. Und schlimmer noch. Ich habe mich immer wieder an Strategien versucht, auf die ich zufällig gestoßen war, Watt essen, Erbrechen und Abführmittel, usw.

Es war unausweichlich, dass ich damit irgendwann scheitern MUSSTE; bzw. in meinem Fall mit 200 kg Körpergewicht geendet bin. Aber wie diesen Kreislauf aus seelischem Ungleichgewicht, Komfortzone und festen Glaubenssätzen zu Sport und Diät unterbrechen?

Exkurs

Meine Diätgeheimnis Glaubenssätze, beziehen sich natürlich auf meine eigene Erfahrung und meine eigene Situation. Selbstverständlich kann einem die bewusste Entscheidung und etwas Disziplin durch einen 4 Wochen Diät-Plan oder ein Sportprogramm mit dem Ziel der Gewichtsreduktion tragen.

Ich gehe jedoch davon aus, dass die hier gelandet sind, dass alles schon hinreichend durch haben und damit ihr (starkes) Übergewicht nur minimal und nur für kurze Zeit haben korrigieren können. Sprich dieselben Erfahrungen damit gemacht haben wie ich.

Diätgeheimnis: Mein (neuen) Glaubenssätze

Nr.1: Ich muss Verantwortung für mich selbst übernehmen.

Nr.2: Der „Klick im Kopf“ kommt erst dann, wenn der Leidensdruck so groß ist – nämlich, wenn ich keine Gründe mehr finde, um mich weiter in meiner Komfortzone verstecken zu können.

Nr.3: Ich werde nur dann erfolgreich sein, wenn mir klar ist, dass ich meinen Lifestyle und meine Ernährung dauerhaft umstellen muss.

Nr.4: Dazu benötige ich anfangs Motivation und Disziplin, um die nötigen Routinen zu schaffen, die mir später helfen, wenn Motivation und Disziplin erschöpft sind.

Nr.5: Wenn ich Hilfe brauche, dann nehme ich sie an. Auch eine Adipositas-OP ist eine Hilfestellung, die ich annehmen darf, ohne mich des Versagens (weil ich mir vorwerfe es nicht auf anderem Wege geschafft zu haben) schämen zu müssen.

Nr.6: Alle Diäten (und Ernährungsformen) funktionieren, aber nicht für jeden Körper funktioniert jede Diät (oder Ernährungsform).

Nr.7: Wenn ich Gewicht verlieren möchte, dann muss ein Kaloriendefizit her. Doch da nicht alle Körper gleich sind und schon gar keine Maschinen, reagiert auch mein Körper unterschiedlich auf verschiedene Kalorien (in Lebensmittel).

Nr.8: Geht es mir lediglich um die Zahl auf der Waage, dann brauche ich keinen Sport. Willst ich abnehmen, gut aussehen und mich gesund und fit fühlen, dann muss ich einen Weg finden eine Sport- und Bewegungsroutine in mein Leben einzubinden.

Nr. 9: Ich muss auf eine ausreichende Versorgung von Vitaminen und Mineralstoffen achten; und dabei meine persönliche Situation mit einbeziehen (Ernährung, Bewegung, Übergewicht, Darm- und Adipositas-OP, Morbus Crohn und Mängelzustände).

hier noch ein paar Erläuterungen

Zu Nr. 1: Es war Glück im Unglück (u.a. eine lebensbedrohliche Darm-OP), das mir dabei geholfen hat, zu erkennen, dass die Verantwortung für mich, mein Leben und meine Gesundheit, nicht länger auf andere schieben kann.

Zu Nr.2:

 

Zu Nr.3: Dauerhafte Umstellung der Gewohnheiten; das hat sich für mich in der Theorie einfach angehört. Dürfte doch nun echt kein Problem sein, oder?

Tatsächlich sitzen alte Gewohnheiten so tief, dass ich auch Jahre später immer noch mit ihnen zu kämpfen habe, bzw. wenn ich nicht Acht gebe, in sie hineinschlüpfe, wie in einen gewohnten und bequemen Hausschuh. Und keine Frage, das fühlt sich so gut an, dass ich manchmal erst viel zu spät merke, wo ich da wieder rein getappt bin.

Dauerhafte Umstellung der Gewohnheiten bedeutet mit Konsequenzen zu leben, die ich gründlich unterschätzt habe und leider noch immer wieder unterschätze. Deswegen finde ich Punkt 4 auch so wichtig.

Zu Nr. 4: Nichts ist so unsagbar wertvoll, wie Routine. Und erfreulicherweise ist es relativ einfach Routinen zu ändern. Viel einfacher und Kräfteschonender als Motivation aus dem nichts zu beschwören oder Disziplin aufrecht zu halten.

Und die erreiche ich dann, wenn ich meine Motivation nutze, dazu ein wenig Disziplin einsetzte (die mir gerade sehr leicht fällt, weil ich ja motiviert bin) und damit eine neue Routine festige, an die ich mich halten kann, bzw. im besten Fall auf die ich immer wieder zurückgreifen kann, wenn ich mal aus der Spur gerate.

Zu Nr. 5: Erst fühlte es sich an (vor OP), also ob ich mit einer OP auf den leichten Weg zurückgegriffen hätte und dann fühlte es sich tatsächlich so an als ob ich den leichten Weg gewählt hätte (Honeymoon-Phase). Heute fühlte es sich für mich so an, als ob ich den einzig richtigen Weg gewählt hätte.

Auch eine Adipositas-OP kann nur dann ein Erfolg werden, wenn ich selber Verantwortung für mich übernehme, von mir aus aktiv werde und aktiv bleibe. Es mag ein drastischer Schritt sein, aber manchmal ist es einfach der einzige, der eine Lösung darstellt.

Zu Nr. 6: Um Abzunehmen muss ich weniger Energie zu mir nehmen, als ich verbrauche.

Ich finde das so einfach zu verstehen und doch so schwer zu akzeptieren. Ich zumindest wollte diese Tatsache nicht wahrhaben. Ich wollte einen Weg finden, der mich abnehmen lässt und dabei genauso weitermachen wie bisher. Auf etwas verzichten zu müssen kam für mich überhaupt nicht infrage! Hatte ich es nicht gerade schwer genug mit meinen Kilos? Ich arme, von aller Welt missverstandene und diskriminierte Dicke sollte nun auch noch Verzicht üben? Ja, wo bliebe dann der Rest meiner eh schon knapp bemessenen Lebensqualität?

Ich habe wirklich alles versucht und jede noch so verquere Denkweise „ausprobiert“, nur um NICHT weniger oder anderes essen zu müssen. Ich versuchte mir einzureden glücklich zu sein, stand täglich vor dem Spiegel und sagte mir, dass ich mich mag, so wie ich bin und habe dabei verzweifelte Tränen geweint, weil es eine solche Lüge war.

Ich sog alles, was ich in die Finger bekam auf und lebte „Schokolade macht Schlank“, „Dicke leben länger“ oder „Dick und gesund“ aus, in der stillen Hoffnung es möge sich dadurch für mich etwas ändern. Ich versuchte in mich hineinzuhorchen um meinem Körper geben zu können was er verlangt. Doch leider blieb die Forderung nach Brokkoli stumm, stattdessen erhob sich ein Sturm der „Chips“ rief.

Ich übte mich im Erbrechen, im Watte schlucken (um den Magen zu füllen), nahm Abführmittel und Entwässerungstabletten, und einige Zeit habe ich sogar versucht meine Familie mit leckeren Angeboten zum Zunehmen zu bringen, damit ich unter ihnen nicht mehr die Dickste war.

Ich warf jede Pille und jedes Pülverchen rein, das ich in die Finger bekam oder mein Geldbeutel hergab. Ich trieb Ausdauersport, bis ich völlig fertig war und meine Lungen tagelang von der Überforderung brannten. Ich hoffte auf eine unentdeckte Schilddrüsen-Erkrankung, eine unbekannte Essstörung oder ein seltener Gendefekt, die in mir schlummerten und die mein Übergewicht erklären würden. Ich wartete auf eine Fee, die mit ihrem Zauberstab schnipsen würde und ich wäre schlank.

Es hat 48 Jahre meines Lebens gedauert bis ich verstanden und wirklich akzeptiert habe, dass mich nichts auf der Welt von alleine dünn macht, sondern dass nur ich das kann.

Zu Nr. 7: Eine große Befreiung habe ich erfahren, als ich mich Anfang 2015 ins low carb gestürzt habe. Der Grund dafür war damals nicht primär um Abzunehmen, sondern die Durchfälle, Bauchschmerzen und Magenkrämpfe loszuwerden, die mich schon ein Leben lang verfolgten, und die nach der Darm-OP von 2009 zu meiner privaten Hölle geworden waren. Und tatsächlich hat mich dieses Ziel so sehr abgelenkt, dass ich zunächst gar nicht richtig begriffen hatte, dass ich dabei war abzunehmen!

So habe ich erst viel später erkannt, dass ich und mein Körper für low carb, wie geschaffen sind. Für mich ist die Ernährungsform ein Gewinn, ich komme gut damit zurecht. Doch das kann bei anderen Körpern ganz anders aussehen.

Zu Nr.8: Eine der erstaunlichsten und (für mich als stark Übergewichtige) wundervollsten Aussagen, die mir die Ärzte meiner Adipositas Klinik mitgegeben haben war, dass Sport nicht notwendig ist um abzunehmen. Bewegung wäre jedoch wichtig; täglich 20 – 30 min. und dabei leicht ins Schwitzen kommen.

Damit habe ich das verhasste Wort „Sport“ aus meinen Gedankengängen streichen und es mit „Bewegung“ ersetzten. Denn „Bewegung“, das klingt für mich nach etwas, was machbar ist und war; auch schon mit 200 kg Körpergewicht.

Daran habe ich mich seitdem gehalten und für mich gelernt, dass regelmäßige „Bewegung“ sehr wertvoll für das allgemeine Wohlbefinden ist. Das Abnehmen jedoch grundsätzlich in der Küche erledigt werden muss.

Anfangs war es alles andere als leicht mich in „Bewegung“ zu setzen. Heute bin ich an einem Punkt, an dem mir „Bewegung“, ja manchmal sogar „Sport“, Spaß macht, mir den nötigen Ausgleich schafft und mich entspannt.

Dazu habe ich mir auch alltägliche Bewegung antrainiert, da ich in der Regel, alle nötigen, sowie vergnüglichen Wege, zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledige. Eine Jahreskarte für den nahen Stadtpark hat mir dabei sehr geholfen.

Und wenn ich es einmal darauf anlege und mir mit Cardio ein paar zusätzliche Kalorien zu erarbeiten, dann geht natürlich auch das. Und als ich dann erkennen durfte, wie viel Spaß tanzen macht (in meinem Fall „Zumba“ oder aktuell „African Dance Workout“), was ich mich als stark Übergewichtige nie getraut habe, ist meist eh alles „safe“ mit den Kalorien.

Zu Nr. 9: Ich denke nicht, dass jeder immer, unbedingt und unerlässlich Vitamine & Co supplementieren muss. Ich halte sie jedoch für Übergewichtige, nach Adipositas-OP, bei  Sport, in einer Diät und Grunderkrankungen für höchst wichtig.

Ich dachte immer, dass ich als übergewichtige „Wohlgenährte“ keinen Mangel leiden würde. Tatsächlich aber hatte ich eklatante Mängel aufweisen. Doch wirklich erfahren, was diese Mängel so anrichten können, durfte ich erst erfahren, als ich auf gemacht hatte sie auszugleichen.

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