essen was ich will
Ich will endlich essen können, was ich will – ein Satz, den ich bereits unzählige Male gehört habe. Und der auch im Zusammenhang mit einer Adipositas-OP immer wieder angeführt wird.
Auch ich habe mir vorgestellt oder besser gesagt davon geträumt, dass ich nach einer Adipositas-OP (wegen des kleinen Magenvolumens und meines dann sowie völlig anderen Essverhaltens) essen kann was ich will.
Und ich verstehe auch sehr gut, woher das rührt: endlich essen können was ich will, ist der verzweifelte Ausruf eines Übergewichtigen, der sich befreit sehen möchte, von ihm auferlegten Essensplänen, Kalorientabellen und dem morgendlichen Schritt auf die Körperwaage. Der eh schon eine geringe Toleranzschwelle gegenüber Verzicht, Entsagung und Hunger hat, weil das alles ihn schon viel zu lange niederdrückt, schon zu lange sein Leben bestimmt. Ein Mensch, der sich immer ferngesteuert erlebt hat und der endlich selbstbestimmt leben will.
Doch „Essen können was ich will“ stand für mich auch immer für „genießen können, ohne die Folgen fürchten zu müssen“. „Was ich will“, bedeutete das Gegenteil von „der Schuldige zu sein“ oder „sich der Körperwaage beugen zu müssen“. Was ich will, bedeutet selbstbestimmt zu sein.
Allerdings, bezog sich mein „Ich will endlich essen können, was ich will“ im Grunde nicht auf die freie Auswahl von Lebensmittel, sondern auf all die Supermarkt-Angebote, die ich nur mit schlechtem Gewissen gegessen habe oder mir gleich ganz versagt habe. Endlich essen was ich will, hieß für mich nicht, ich will endlich so viel Brokkoli essen, wie in mich reingeht, sondern bezog sich auf Schokolade, Chips & Co.
Ich soll essen was mir schmeckt, aber ich soll auch nicht alles essen, was mir schmeckt. Das ist so einfach und doch so kompliziert.
Und so habe ich lange gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich zwar nicht alles essen kann, was ich will, aber immer schon die Freiheit hatte, das zu essen was mir schmeckt.
So war es schlicht die Definition von Essen, an der ich immer gescheitert bin. Und nein, ablegen konnte ich die fehlerhafte Version bis heute nicht. Auch heute reagierte ich noch mitunter wie ein trotziges Kind, wenn es darum geht, dass Schokolade, Chips & Co, nun mal nicht gut für mich sind.
Verstärkt wird das Problem damit, dass ich dabei eine ganze Industrie als Gegner habe, die so viel mächtiger, geschickter und motivierter in ihrem Handeln ist, als ich es je sein werde.
Hat es also noch mit meinem freien Willen zu tun, wenn mein möglicherweise von Werbung vernebelter Kopf nach der neusten Variante eines bunt verpackten Schokoriegels verlangt? Oder kann es nicht viel mehr so sein, dass ich längst verlernt habe, wie mir Essen eigentlich schmecken soll? Dass ich lediglich auf Genuss versprechende Werbung reagiere und gar nicht mehr weiß, was ich eigentlich essen will?
Ich finde es heute wichtiger denn je, dass wir Übergewichtigen uns freimachen müssen, von dem kindlichen Irrglauben „alles essen zu können, was wir wollen“ – und damit in Wahrheit doch nur den verlockenden Schokoladenriegel meinen.
Ich soll essen was mir schmeckt, aber ich soll auch nicht alles essen, was mir schmeckt.