„Welche Diät könnt ihr empfehlen?“
Diese Frage kam vor einer Weile in meiner Selbsthilfegruppe auf. Die Anwesenden, inkl. meiner Wenigkeit, haben eine mögliche Antwort darauf abgeschmettert, in dem wir geschlossen mit „Die beste Diät wäre gewesen, wenn wir niemals damit angefangen hätten“ geantwortet haben und den Fragesteller damit förmlich in den Boden getrampelt.
Da ich im Moment so vieles infrage stelle, über alte Denkansätze nachdenke und neue für mich definiere, ist mir diese Situation wieder in den Sinn gekommen. Denn amüsanterweise war meine erste Blitz-Reaktion damals „low carb“ und „Kalorienzählen“ vorzuschlagen, doch bevor ich mich habe sammeln können, kam die Anti-Diät Aussage auf den Plan und ich habe ihr zugestimmt.
Aus Sicht einer Patientin, die lange überhaupt nicht verstanden hat, warum sie so übergewichtig war und die, durchaus zurecht, davon ausgehen muss, dass natürlich auch ihre Diät-Geschichte teil der Ursache ist, stimme ich dem immer noch zu: hätte ich nur nie damit angefangen.
Hätte ich nie damit angefangen, so hätte ich heute nicht mit den ganzen Diät-Mythen zu kämpfen, die sich auf meinem Weg in meinem Kopf fest gesetzt haben. Und so denke ich, war und bleibt es ein wichtiger Schritt für mich, mich von dem ganzen Diät-Hintergrund zu lösen.
Fragt mich heute also jemand, „welche Diät ich empfehlen kann?“, so kann es nur eine Antwort darauf geben: „kommt darauf an.“
So könnte mein Rat für einen 200kg-Menschen, wie ich einer war, sein a) eine Adipositas-OP zu erwägen, b) zu lernen, wie man „echtes“ Essen zubereitet, c) sich bedarfsgerecht mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgen und d) eine Bewegungs-Routine für sich zu finden und alle Erfahrungen und Hoffnungen, was Diäten betrifft ein für alle mal über Bord zu werfen – und dann sehen wir weiter.
Für alle anderen, die ein bisschen mehr abnehmen müssen, würde mein grundsätzlicher Rat wahrscheinlich lauten a) Ernährung optimieren (zb mit Kalorienzählen oder einer Ernährungsumstellung) und b) Verbrauch steigern (mehr Bewegung, Sport) und alle Erfahrungen und Hoffnungen, was Diäten betrifft ein für alle mal über Bord zu werfen – und dann sehen wir weiter.
Und denen, die lediglich, die 4kg verlieren wollen, um in 6 Wochen in ihr neues Abendkleid zu passen und die keine Lust haben sich selber einen Ernährungsplan ausdenken oder Kalorien zu zählen: sucht euch einen kalorienreduzierten Diät-Plan eurer Wahl aus, zieht ihn durch und die Sache passt und lebt mit den möglichen Folgen (Jojo-Effekt).
Grundsätzlich denke ich, dass es völlig belanglos ist, welchen Ansatz man dabei für seine Ernährung und/oder Bewegung wählt. Viel wichtiger denke ich, dass er passen muss, dabei grundlegende Empfehlungen beachtet werden können und der Plan so gestaltet ist, dass er für uns zur Routine werden und wir ihn so lange wie nötig (oder darüber hinaus) durchhalten können.
Das Beste wäre wohl gewesen, wenn wir es von Anfang an gleich richtig gemacht hätten. Und zwar frei von den ganzen Mythen, Märchen und Halbwahrheiten, den von Kindheit an aufgesogenen sinnfreien und unzweckmäßigen Pseudo-Regeln und den, aufgrund von nicht korrekt wiedergegebenen Tatsachen, fälschlicherweise geweckten Hoffnungen.
Wenn wir (die damals schon tendenziell dicken Kinder) dazu erzogen worden wären, nicht alles einfach zu schlucken, sondern kritisch zu sein und Zusammenhänge zu hinterfragen. Wenn man es uns so erklärt hätte, dass wir es auch wirklich hätten verstehen können. Anstelle dessen sind wir mit Anweisungen und verallgemeinerten Plänen abgespeist worden, die wir verdammt nochmal einfach brav befolgen sollten: Teller leer essen, damit die Sonne morgen wieder scheint – basta und keine Widerrede!
Vielleicht hätten wir so die Chance gehabt, wirklich zu verstehen, warum wir Bewegung brauchen, warum wir nicht alles essen können, was uns angeboten wird oder zu dem uns die Werbung verführt, warum wir zunehmen und warum wir dick sind. Vielleicht hätten wir dann gelernt, nicht jede noch so verquere und mutwillig missdeutete Aussage dazu zu nutzen, um vor uns selber zu vertreten, warum wir dick sind.
Und vielleicht hätten wir dann keine Wissenschaft aus etwas gemacht, was eigentlich ganz simpel ist, nur damit wir uns nicht mit unbequemen Tatsachen abfinden müssen.