Wunsch, Wille und Wink
Ich werde immer wieder darauf angesprochen und denke auch selber oft darüber nach, was der Wendepunkt für mich war, das Thema „Körpergewicht“ anzugehen, warum er gerade zu diesem Zeitpunkt kam, bzw. wie ich ihn herbeigeführt habe.
Die erste Hürde für eine hilfreiche Antwort, ist jedoch, dass die Gründe oder sagen wir mal der Auslöser für Wendepunkte so mannigfaltig sind, wie die Menschen. Denn wir allen haben unterschiedliche „Schmerzgrenzen“ und „Leidensfähigkeiten“. Während für den einen der scheinbar kleinste Auslöser reicht, scheint der andere, im Vergleich dazu, enorm leidensfähig. Ein Vergleich ist hier, meiner Ansicht nach, nicht möglich.
Mir fiel es immer sehr schwer zu verstehen, dass mein Leidensdruck, meine Schmerzgrenze, an einem völlig anderen Punkt liegt, als der anderer. Ich war immer schnell dabei zu urteilen, dass die, die „nur“ 5 kg mehr Gewicht auf den Rippen haben doch überhaupt nichts sagen dürften, weil die damit doch immer noch super aussähen. Im meinem Kopf war immer der Gedanke, dass nur ich Anrecht darauf hätte unter meinem Gewicht zu leiden; schließlich hätte ich ja auch einen „gewichtigen“ Grund dazu.
Und aus diesem (fettlogischen) Denken heraus, hat es bei mir vermutlich einige Kilos länger gedauert, bis der Punkt erreicht war, an dem mir klar wurde, dass ich etwas ändern muss.
So war das Maß meines Leidens im jenem Oktober 2013 übervoll und die Schmerzgrenze erreicht.
Aber dazu gehört noch mehr, denke ich heute. Es reicht nicht nur den „Klick im Kopf“ = „Wunsch“ zu hören und für ihn bereit zu sein = „Wille“, sondern hier spielt auch der = „Wink“ des Schicksals eine Rolle. So bin ich zwar überzeugt davon, dass so ein Wendepunkt grundsätzlich durch den Wunsch zur Änderung herbeigeführt werden und dieser auch mit Disziplin soweit durchgesetzt werden kann; wie weit die persönliche Disziplin eben ausreicht. Doch um diese Wende nachhaltig umsetzen zu können, bedarf es einer (oder mehrerer) – nicht planbarer – Erfahrungen und Erlebnisse; so zumindest meine Erfahrung.
Für mich war die Kombination aus, zu dem Zeitpunkt, zufällig Erfahrenem, sowie der Tatsache, dass ich in dem heißen Sommer des Jahres einen sehr schlimmen Moment durchlitten hatte und deswegen im Oktober dann auch bereit war zur Tat zu schreiten und nicht weiter alles vor mir herzuschieben, entschieden geholfen, bzw, meiner Meinung nach, für gelingen oder nicht gelingen, ausschlaggebend.
Für mich war es also nicht direkt EIN Wendepunkt, sondern eher eine Entwicklung, auf Grundlage verschiedener Erlebnisse, die ihren Höhepunkt an dem Tag gefunden haben, an dem ich, um meinen BMI auszurechnen, nach Jahren wieder einmal auf die Waage gestellt habe.
Hätte nicht Chris‘ sich bereits zu einer OP entschlossen und wäre ich nicht an einen Punkt angelangt, an dem ich auf ein Ende gehofft und darüber nachgedacht, wie lange es dauern würde, bis ich mich tot fressen kann und hätte ich nicht ein Gewicht auf der Waage gesehen, das so unfassbar war – vielleicht würde ich immer noch denken, dass ich die einzige sei, die Grund zum Leiden hätte und trotzdem nicht tun.
Bedenkt man das alles, würde ich sagen, dass man Wendepunkte nicht bewusst herbeiführen und nicht steuern kann, sondern sie eben auch ein Wink des Schicksals sind.
Grundsätzlich muss die Bereitschaft etwas ändern zu wollen vorhanden sein. Man muss bereit sein Opfer bringen zu wollen und muss aktiv zu werden, um etwas zu tun. Diesen Teil kann man, wenn man bereit dafür ist, denke ich, mit seinem Willen beeinflussen. In dem man sich das Ziel anvisiert und es mit Disziplin für sich durchsetzt.
Doch darüber hinaus, glaube ich fest daran, dass es hier ebenfalls eines Schicksal-Anteils bedarf. Eine oder mehrere Erfahrungen, Eindrücke und Erlebnisse, die einen an diesen gewünschten Wendepunkt heranführen. Vielleicht ist es ja für uns Menschen einfach so, dass wir etwas erst Er-Leben müssen, um es für uns zu einer nachhaltigen Änderung zu machen? Für mich gilt das auf jeden Fall.
So, und dann kommt jedoch ins Spiel, das Rückfälle in alte Gewohnheiten – leider – viel zu einfach sind und sie sich bedauerlicherweise „anziehen“ lassen, wie ein alter bequemer Schuh, während der neue Schuh ewig noch am Drücken ist und einfach nicht recht passen will. Aber das ist Stoff für ein anderes Thema, würde ich sagen.
Kann ich mir also einfach bewusst, an einem bestimmten Punkt vornehmen abnehmen zu wollen? Ja, ich denke schon. Ich weiß heute, dass gut funktioniert für X-Wochen Diät zu machen. Wenn also 5 Kg runter müssen, dann muss man es einfach nur wollen. Dafür, so denke ich, kann das persönliche Kontingent an Disziplin durchaus reichen.
Doch ich bin auch davon überzeugt, dass wenn man sein Leben/Ernährung/Verhalten grundlegend ändern will, braucht es auch den „Wink des Schicksals“. Deswegen gilt für mich: „Wendepunkte“ = Kombination aus „Wunsch, Wille und Wink (des Schicksals)“.
Wenn ich so darüber nachdenke, dass das alles doch recht logisch erscheint, muss ich mich wundern, warum ich da nicht schon früher darauf gekommen bin. Andererseits, wenn immer wieder Fragen dieser Art auf mich treffen, scheint es doch auch eben wieder nicht so einfach zu sein. Auf jeden Fall freut es mich, dass ich anscheinend mit meinem Überlegungen nicht ganz allein dastehe.