Sei doch mal dankbar.
Eigentlich hatte ich dieses „sei doch mal dankbar“-Thema schon längst wieder vergessen. Aktuell ist es in meinem Umfeld einfach nicht so präsent; vermutlich, weil ich zugenommen habe und zurzeit auch keinerlei Bestrebungen an den Tag lege, um das zu ändern. Doch dann habe ich ein youtube Vlog eines Kanals gesehen, dem ich schon seit einer Weile folge und es ist mir wieder hochgekommen.
Die youtuberin Ella TheBee ist schwanger und ihr geht es nicht gut. Sie freut sich auf ihr Baby, ist glücklich darüber einem Kind Leben schenken zu können und erfreut sich sichtlich an diesem Wunder. Doch sie fühlt sich nicht so (und thematisiert das auch), wie ihr Umfeld ihr vorwirft, Schwangere sein zu müssen. Jammere nicht, sei doch mal dankbar.
Ich war auch keine dieser glücklich-strahlenden Schwangeren. Mir ging es während meiner Schwangerschaft sehr schlecht. Und ich wollte einfach nur, dass es aufhört. Das hat jedoch nicht bedeutet – ebenso, wie es auch nicht für Ella bedeutet – dass ich zu irgendeinen Zeitpunkt undankbar über meinen Zustand war. Ich liebe mein Kind und ich habe es vom ersten Moment (meiner Schwangerschaft) geliebt. Doch meine Schwangerschaft war keine schöne Erfahrung. Die Geburt übrigens auch nicht. Und auch nicht die Zeit nach der Geburt. Mein Kind und ich hatten es schwer und ich bin mehr als einmal fast verzweifelt. Aber undankbar für das Wunder war ich hingegen nie.
Doch mein Umfeld hat das anderes gesehen. Schwangere müssen glücklich sein, Schwangere müssen strahlen. Und ich habe die Schuld bei mir gesucht, wenn andere mir vorgeworfen haben, dass ich aufhören soll zu jammern und dankbar darüber ein Kind bekommen zu können.
Dieses sei doch mal dankbar, ist mir erst wieder, in der Phase meiner Abnahme nach der OP begegnet, als es für mich gewichtstechnisch nicht recht weiterging, obwohl ich doch noch mehr abnehmen wollte. Ich solle doch nicht herumjammern, sondern einfach mal dankbar sein, dafür was ich bisher geschafft habe.
Heute ist mir bewusst aus welchen – sehr menschlichen, oft unbewussten und oft keineswegs bösmeinden – Mechanismen, andere so etwas zu einem sagen: Neid. Damals hat es mir jedoch sehr weh getan, weil ich mir – eigentlich – keiner Schuld bewusst war und es für mich kein Widerspruch darstellte, gleichzeitig dankbar zu sein und mehr zu wollen.
Das was ich mir vorwerfe ist, dass ich mich habe runterziehen lassen, mich klein machen lassen, mir eine Schuld habe einreden lassen, die ich nicht hatte. Sicher, es ist eine Sache derartige Mechanismen zu erkennen, aber eine ganz andere dagegen anzuarbeiten, insbesondere wenn man gerade erst dabei ist zu lernen, für sich selber einzustehen und sich selber bewusst zu sein. Es ist also keineswegs einfach dagegen anzugehen.
Ich fand es großartige von der youtuberin Ella The Bee, dass sie das Thema angesprochen hat und deutlich macht, dass es hier nicht um fehlende Dankbarkeit geht, sondern darum, dass es uns, in unserem Glück eben auch mal schlecht gehen kann. Und alles, was wir wollen, ist in dem Moment einfach getröstet werden und darin bestärkt das alles gut wird und wir unseren Weg einfach weiter gehen sollen.
Auch wenn es eine allzu menschliche Handhabe ist, den anderen runterzuziehen zu wollen, ihm Schuld einzureden, wo gar keine ist, nur damit man sich selber besser fühlt, sollte es kein Umgang in einem privaten Umfeld sein, vor allem nicht, wenn es doch eigentlich von Zuneigung geprägt ist.
Wenn euch also das nächste Mal Belehrungen dieser Art auf der Zunge liegen, seit ehrlich und erkennt an welchem Zweck sie dienen, nämlich, dass es euch besser geht, nicht eurem Gegenüber. Wenn ihr wirklich Zuneigung verspürt und helfen wollt, dann hört zu, verteilt eine Umarmung und stärkt eurem Gegenüber den Rücken. Ich verstehe, dass es im Moment nicht einfach ist, aber du schaffst das, ich habe Vertrauen in dich.