Wille vs. Reflex
Gibt es eine Lebensmittel-Sucht?
Nimm deine Kinder und begleite sie ein Süßigkeiten-Regal im Supermarkt entlang und du hast die Antwort!
Dr. Tro Kalayjian
Sucht
Wenn wir nicht tun, was der Stamm tut, werden wir ausgeschlossen und müssen sterben. Das ist keine Erkenntnis des Verstandes, sondern ein (Überlebens-)Reflex, der tief verankert in unserem steinzeitlichen Gehirn schlummert.
Auf den modernen Menschen bezogen, bedeutet dass, wenn wir in einem Werbespot im TV sehen, indem eine Gruppe junger, fröhlicher Menschen feiert, tanzt und zusammen Softgetränke trinkt, unser Reptilien-Gehirn reflexartig reagiert und den Befehlt gibt: das will ich auch, ich will dazugehören und ich will denselben Spaß. Und weil wir diesen Werbespot immer und immer wieder sehen, verknüpft unser Gehirn innerhalb kürzester Zeit: Softgetränk = Stamm = Spaß.
Dieses Dauerberieselung mit, unsere Reflexe, ansprechenden Botschaften ist vermutlich auch ein Grund dafür warum wir so gerne vor dem TV essen. Vom Sofa aus wollen wir dazugehören.
Hinzukommt, dass die Impulse eines Reflexes, im Gegensatz zu einem Impuls des Verstandes, so stark potenziert sind, dass dieser sich, bei so derart wichtigen Themen, wie Stamm = überleben, praktisch keine Stimme hat. Aber warum auch, schließlich sind Reflexe dazu da, unser Überleben zu sichern und uns vor dem Säbelzahntiger zu beschützen. Würde sich erst der Verstand einschalten, um abzuwägen, ob wir wegzurennen oder nicht, dann wäre die Menschheitsgeschichte wohl eine kürzere geworden.
Und die, die etwas verkaufen wollen, wissen das und setzten genau auf diesen Reflex. Das ist ihr gutes Recht, nur sind wir dem nahezu schutzlos ausgeliefert.
Der Fall läge unproblematisch, wenn wir uns dem entziehen könnten, wie wir es vielleicht mit illegalen Drogen können, in dem wir möglichen Angeboten, Nadeln und Menschen fernbleiben, mit denen wir die Drogen in Verbindung setzten. Doch wenn wir uns und unsere Familien mit Nahrungsmitteln versorgen wollen – Hausfrauen mit kleinen Kindern, sind dem am stärksten ausgesetzt und bilden damit auch die größte betroffene Gruppe – bleibt uns der Weg in den Supermarkt nicht erspart.
Unsere einzige Chance ist es, die Verbindung, auf die wir geeicht wurden, „Softgetränk = Stamm = Sicherheit = Spaß“, umzuprogrammieren. Und das möglichst mit etwas Dramatischen, das es auch die Aufmerksamkeit des Reptilien-Gehirns bekommt, zb. „Softgetränke = Diabetes = offene Beine“, so zumindest die Forschung von Dr. Joan Ifland („Processed Food Addiction“). Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den menschlichen Abhängigkeiten von hochverarbeiteten und konzentrierten Lebensmitteln und wie man diese aufheben kann.
Fasten und Mealtiming
Interessant ist auch ihre Meinung zum Fasten oder intermittierenden Fasten (zb. 16:8, 16 Stunden Essenspause und 8 Stunden Essenszeit), was zb. von Dr. Jason Fung („Die Schlankheitsformel“) propagiert wird; und bye the way, ich finde seine Argumente durchaus schlüssig, obwohl ich nicht (immer) mit dem Konzept intermittierendes Fasten zurechtkomme.
Dr. Ifland vertritt jedoch die Meinung, dass es für den „food addicted“-Menschen, egal welchen Gewichts, bedeutender sei, dessen steinzeitlich und reflexartig reagierenden Gehirnes regelmäßig und zu festen Zeiten (4 mal am Tag: 3 Mahlzeiten, 1 Snack) mit Essen versorgen. Unser Reptilien-Gehirn muss darauf vertrauen können, dass es keine Angst zu haben braucht zu verhungern und das es nicht den Befehl dazu geben muss, bei jeder Gelegenheit alles Essbare für magere Zeiten zu bunkern.
Wichtig in diesem Zusammenhang sei ihr, dass Körper und Gehirn ausreichend mit Proteinen und Fett genährt werden und die Ernährung natürlich ist und frei von Antinährstoffen, Zucker und Stärke, so wie hochverarbeitetem Essen. Sie erwähnt auch, dass zwischen diesen fest geplanten und befriedigenden Mahlzeiten (essen bis man satt ist) keine Snacks sein dürfen. Und auch, dass von der letzten Mahlzeit des Tages bis zur ersten des Folgetages natürliche Essenspausen eingehalten werden sollten. Fasten, über einen längeren Zeitraum, lehnt sie strikt ab, es fördere ihren Untersuchungen nach Essstörungen und Binge Eating.
Die Ernährungsberaterin Daniela Pfeifer (ZUKI 2020), deren Sachverstand ich sehr schätze, ist übrigens derselben Meinung.
Bisher war mein Ziel immer darauf konzentriert, nur zu essen, wenn ich Hunger habe. Dabei stolpere ich allerdings immer wieder über meine Snackverhalten, was ich einfach nicht in den Griff zu bekommen scheine. Unter einer low carben Ernährung ist es zwar deutlich reduziert, aber immer noch vorhanden. Ich habe jedoch vollkommen ausgeblendet, dass mir damals, während meines Fettlogik-Experiments, die festen Uhrzeiten, zu denen ich gegessen habe, sehr hilfreich waren.
Da ich mich damals förmlich an die Zeiten geklammert habe und mich immer nur mit Mühe und Not herrüber retten konnte, habe ich das ganze System als negativ empfunden. Was ich in meine Überlegungen jedoch nicht mit einbezogen habe, damals aß ich unterkalorisch und habe zudem ein lediglich moderates low carb gegessen – weil mein Ziel eine Abnahme war. Die Vorzeichen sind nun jedoch andere und da wäre es doch durchaus interessant, die Wirkung so eine Routine erneut auszuprobieren?
Eine weitere sehr interessante Spekulation von Dr. Ifland bezieht sich auf die Fixierung auf das eigene Körpergewicht. Das könnte, so ihre Annahme, den Gedanken an Essen fördern. Zumal das nur sinnvoll wäre. Da, wann immer in unserer Menschheitsgeschichte der Gedanke an das eigene Gewicht bedeutend wurde, man zu verhungern drohte.
Sie ist auch eine Verfechterin Personenwaagen aus den Haushalten zu entfernen; damit hat sie bei mir schon gewonnen! (siehe: Die lügende Bondenschlampe)
Jedem sollte bewusst sein, dass er eines Tages scheitern wird, trotz großer Vorsätze. Gegen seine Reflexe kann man nicht ankommen. Dann jedoch sollte man aber auf keinen Fall aufgeben, sondern seinen Verstand einschalten, weiter machen und die Ursachen des Fehlers suchen um daraus zulernen.
Dr. Robert Cywes
Tischlein deck dich
Neben der „nur wenn Hunger auch essen“-Ziel und dem Stolperstein „Snacks“, habe ich es bisher zu gehalten, dass eine Restriktion, ob Kalorien oder die Essensmenge, genau das ist, was ich benötige. Dazu gehört, dass ich die Töpfe in der Küche lasse und wir uns unser Essen auf einem Teller zum Esstisch holen. Das Essen von kleinen Tellern, bzw. Kindertellern, zumindest in der Zeit nach OP, halte ich dagegen nach wie vor für nützlich. Zumindest hat es mir sehr dabei geholfen, mich an meine neuen Portionsgrößen zu gewöhnen.
Dr. Cywes, ein Adipositas Chirurg aus den USA, sieht das etwas anders. Er plädiert dafür, dass wir unsere Essen in angemessener Menge auf den Essenstisch stellen, eben damit unser Reptilen-Gehirn entspannen kann und erkennen, dass von allem reichlich vorhanden ist. Wichtigste Voraussetzung, so seine Aussage ist es dabei das Tempo mit kleinen Gesten aus der Handlung Essen rauszunehmen, also alles eindecken, auf den leeren Teller und den Genuss der folgt besinnen, Besteck richten, kleine Portion anrichten, vielleicht nachsalzen, vielleicht mit Käse bestreuen, usw.
Auch sich zu zwingen nur kleine Portionen aufzutun und sich zwischen dem Befüllen der Teller auszubremsen, gehört seiner Aussage dazu. Also auch hier das Tempo rausnehmen. Aufstehen, emails abrufen, den Hund rauslassen und sich dann fragen, ob man noch mehr essen möchte. Wenn die Antwort ja ist, iss mehr. Schließlich funktioniert es so auch mit Wasser trinken. Warum nicht auch mit dem Essen.
Apropos, für den der abnehmen will, bzw. von hohem Übergewicht kommt, hat Dr. Cywes dieselben Regeln, wie auch Dr. Ifland, Kohlenhydrate raus, Protein und Fett rein und echte Nahrungsmittel essen – keine chemischen Produkte der Lebensmittelindustrie.
Ernährung ist die Grundlage deiner Gesundheit. Ist deine Ernährung nicht richtig, kann dich keine Medizin und kein Sport gesund machen. Du musst deine Ernährung auf den Punkt bringen.
Dr. Ken Berry
Mahlzeit!
Übergewicht, ist nicht dein Fehler, aber es ist dein Problem und du musst damit umgehen. Um das zu erreichen sind für Dr. Ken Berry („Lies My Doctor Told Me“) die folgenden fünf Punkte unumgänglich:
Zucker raus.
Stärke/Weizen raus.
Pflanzen/samen-Öle raus.
Keine Snacks zwischen den Mahlzeiten.
Echte Lebensmittel essen, auf der Grundlage von tierischen und fettreichen Produkten.
Übrigens auch er schlägt intermittierendes Fasten vor (16:8), merkt jedoch gleichfalls an, dass nicht jeder damit auf Biegen und Brechen zurecht. Vielmehr ist es seiner Einschätzung so, dass solange echte Nahrungsmittel gegessen werden und es nicht zu Hungerphasen kommt, werden sich die Essenszeiten und die Essenskarenz irgendwann von selber auf annährend 16:8 einstellen. Doch das braucht, seiner Aussage nach, Zeit, viel Zeit.
Es gibt keine Preise, für das Folgen von Ernährungsempfehlungen! Sei nicht deine Ernährung. Sei du.
Fundstück
Mehr über Dr. Tro Kalayjian: doctortro / podcast: www.lowcarbmd.com
Mehr über Dr. Joan Ifland und ihr ARC-Programm: www.foodaddictionreset.com / youtube: „Food Addiction Reset“
Mehr über Dr. Robert Cywes: www.obesityunderstood.com / youtube: „CarbAddictionDoc“
Mehr über Dr. Ken Berry: www.drberry.com / youtube: KenDBerryMD
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